4.8.05

BSG plündert Pflegekassen

"Die Pflegekassen müssen zwar ebenso wenig wie die Krankenkassen Hilfsmittel gewähren, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Für Zuschüsse zur Finanzierung von Umbaumaßnahmen in der eigenen Wohnung gilt dies aber nicht. Deshalb müssen Pflegekassen für den Einbau eines Personenaufzugs im eigenen Haus zugunsten einer schwer gehbehinderten, pflegebedürftigen Person unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse und bis zur gesetzlichen Höchstgrenze Zuschüsse gewähren, wenn dadurch die Möglichkeit der behinderten Person, die Wohnung zu verlassen und wieder aufzusuchen, wesentlich erleichtert wird.
(Urteil vom 13. Mai 2004 - B 3 P 5/03 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen)"

zitiert aus www.bundessozialgericht.de

Durch solche Urteile werden die Pflegekassen zu Subventions-Eseln für die Bauwirtschaft.
Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Und das tut es schon lange nicht mehr.

- sven -

7.7.05

BSG: Zur Nachbarschaftshilfe

Medien-Information Nr. 11/05

Versicherungsschutz als "Wie-Beschäftigter" bei Nachbarschaftshilfe?

Der Kläger war Eigentümer eines Reihenhauses, das Teil einer Reihenhausanlage war, die im Frühjahr und Herbst von den Nachbarn gemeinsam gereinigt wurde. Dabei halfen die Ehepartner bzw Familienangehörigen mit. Nach jedem Arbeitstag fand ein gemeinsames Grillen statt. Das benötigte Handwerkszeug brachte jeder selbst mit. Jeder arbeitete dort, wo Arbeiten anfielen.

Am Unfalltag schnitt der Kläger zunächst die Hecke. Die Miteigentümer B. und N. reinigten die gemeinsame Dachrinnenanlage vorne und hinten. Nach einer gemeinsamen Pause am Vormittag waren die Arbeiten kurz vor Mittag im Wesentlichen beendet. Es sollten nur noch die Gitter auf die Regenrinne aufgesetzt und Werkzeuge und Geräte weggeräumt werden. Zu diesem Zeitpunkt entschloss sich N. zu versuchen, das Moos von seinem Dach zu entfernen. Einen Beschluss darüber hatten die Nachbarn zwar nicht gefasst, jedoch hätten sie das Moos von allen Dächern entfernt, wenn dieser Versuch erfolgreich gewesen wäre. Nachdem N. auf sein Dach gestiegen war, kam ihm der Kläger auf der Leiter nach, um ihm zwei Drahtbürsten zuzuwerfen. Dabei stürzte der Kläger von der Leiter und erlitt eine schwere Kopfverletzung.

Die beklagte Unfallkasse lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall und die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil der Kläger im Unfallzeitpunkt weder einer abhängigen Beschäftigung als Arbeitnehmer noch einer beschäftigtenähnlichen Tätigkeit nachgegangen sei. Denn er habe im Unfallzeitpunkt eine im eigenen Interesse liegende Tätigkeit verrichtet. Klage und Berufung waren erfolglos. Auch die Revision des Klägers wurde vom BSG nun durch Urteil vom 5. Juli 2005 (Az. B 2 U 22/04 R) zurückgewiesen.

Versicherungsschutz als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer schied schon deswegen aus, weil der Kläger nicht als Arbeitnehmer, sondern aus eigenem Antrieb im Rahmen einer Nachbarschaftshilfe tätig war, als er abstürzte.

Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfall­versicherung konnte danach allenfalls nach § 2 Abs 2 SGB VII als so genannter Wie-Beschäftigter bestanden haben. Danach sind Personen versichert, die zwar nicht in einem förmlichen Arbeitsverhältnis stehen, aber wie ein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer, zB im Rahmen einer Nachbarschaftshilfe, tätig werden.

Ob eine Nachbarschaftshilfe also zB in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist, richtet sich im Kern nach den Kriterien für eine Beschäftigung. Versicherungsschutz wird aber auch dann gewährt, wenn die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht vollständig erfüllt sind und bei einer ggf nur vorübergehenden Tätigkeit die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben ist, weil

· eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert vorliegt,

· die einem fremden Unternehmen dienen soll und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmens entspricht,

· unter solchen Umständen, die einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich sind und nicht auf einer Sonderbeziehung zB als Familienangehöriger oder Vereinsmitglied beruhen.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Kläger am Unfalltag nicht wie ein Beschäftigter tätig geworden. Nach den Feststellungen des LSG - an die das BSG als Revisionsgericht gebunden ist - hatten sich die Eigentümer der Reihenhausanlage zur gemeinsamen Reinigung und Pflege der Anlage verabredet. Die Beteiligung an dieser Aktion und die Arbeitsbeiträge jedes Einzelnen dienten letztlich nicht den Interessen anderer Eigentümer, sondern den gemeinsam Interessen aller Eigentümer - und damit auch des Klägers - an der Erhaltung und Pflege des Eigentums an den Reihenhäusern. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die durchzuführenden Arbeiten vorab geplant waren oder ob sie, wie die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, erst später spontan in Angriff genommen wurden. Da der Kläger mit der zum Unfall führenden Tätigkeit eigene Zwecke verfolgt hat, war er nicht arbeitnehmerähnlich, sondern unternehmerähnlich tätig. Das schließt einen Versicherungsschutz als Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs 2 SGB VII und damit Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus.

Az.: B 2 U 22/04 R
P. ./. Unfallkasse Schleswig-Holstein
www.inidia.de/bundessozialgericht.htm

MSR-Kommentar: das Urteil schafft keine Klarheit

16.3.05

3,13 Mio. Privathaushalte überschuldet

bmfsfj-Presseerklärung v. 16.03.2005

Private Überschuldung - vorbeugen und helfen

In Deutschland sind 8,1 Prozent aller Privathaushalte überschuldet, das sind 3,13 Millionen Haushalte und damit rund 400.000 mehr als vor vier Jahren. Der Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Peter Ruhenstroth-Bauer, wies auf die Bedeutung der Prävention von Überschuldung und der Schuldnerberatung hin: "Die Überschuldung privater Haushalte ist ein drängendes, aber oft unsichtbares Problem. Überschuldung führt nicht selten zu Armut und Ausgrenzung. Wer Schulden angehäuft hat, braucht Hilfe, damit er sich wieder aus eigener Kraft unterhalten kann und nicht in Abhängigkeit von Gläubigern oder dem Staat leben muss", sagte Ruhenstroth-Bauer bei der Tagung "Überschuldung privater Haushalte" der Gesellschaft für sozialen Fortschritt in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung heute in Berlin.

Die Bundesregierung hat das Thema Überschuldung in ihrem 2. Armuts- und Reichtumsbericht aufgegriffen. Mit einem Konzept gegen Überschuldung will die Bundesregierung Betroffene aus dem Schuldenkreislauf holen und Überschuldung vorbeugen. Nicht nur die Gläubiger erleiden Schaden; viele Überschuldete und ihre Familien sind auf staatliche Unterstützung angewiesen. Damit ist auch der volkswirtschaftliche Schaden groß, der durch die Überschuldung der privaten Haushalte entsteht.

Eine Schlüsselrolle bei der Hilfe aus der Schuldenspirale kommt den Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen vor Ort zu. Fast jedem zweiten, der sich beraten lässt, kann die Schuldnerberatung einen Ausweg weisen. "Schuldnerberatungsstellen dürfen nicht abgebaut werden: es muss sie flächendeckend geben. Hier sind die Länder und Kommunen gefordert. Sie müssen auch neue Wege gehen und neue Partner zum Beispiel bei der Kreditwirtschaft suchen", forderte Ruhenstroth-Bauer. In einigen Bundesländern beteiligen sich bereits die Sparkassen an der Finanzierung der Schuldnerberatung. Für arbeitslose Überschuldete und Überschuldete, denen Arbeitslosigkeit unmittelbar droht, gibt das Sozialgesetzbuch II ("Hartz IV") überdies den Fallmanagern in Job-Centern die Möglichkeit, Schuldnerberatung zu vermitteln.

Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist eine wichtige Hilfe für Überschuldete. Im Jahr 2004 gab es 49.123 Verbraucherinsolvenzverfahren. Das ist eine Steigerung um 53 Prozent gegenüber 2003 und ein Beleg, dass das seit langem drängende Problem der Überschuldung privater Haushalte erfolgreich in Angriff genommen wurde. Die Bundesregierung wird das Verbraucherinsolvenzverfahren weiterentwickeln. Es soll noch effizienter werden, ohne die so genannten "masselosen Verfahren" aus dem gerichtlichen Verfahren auszugrenzen.

Der finanziellen Allgemeinbildung kommt - ergänzend zur Familie - im schulischen Bereich eine wachsende Bedeutung zu: Die Nachfrage nach Bildungsangeboten zum Umgang mit Geld und Konsum steigt. Gemeinsam mit der Schuldnerberatung und der Kreditwirtschaft fördert das Bundesfamilienministerium eine kostenlose Unterrichtshilfe für Lehrerinnen und Lehrer (www.unterrichtshilfe-finanzkompetenz.de), mit der die Konsum- und Finanzkompetenzen von Kindern und Jugendlichen unterstützt werden.

- Die Broschüre "Was mache ich mit meinen Schulden?" des Bundesministeriums gibt Rat bei Überschuldung. Sie ist kostenlos hier erhältlich.

- Unter www.forum-schuldnerberatung.de oder unter 01801/907050 (Mo - Do, 7 - 19 Uhr; Festnetz: 9 - 18 Uhr 4,6 Cent, sonst 2,5 Cent pro angefangene Minute) kann die nächstgelegene Schuldnerberatungsstelle erfragt werden. Dieser Service wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

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